CONTENT-STRATEGIE
BRAUCHEN WIR EINE MITARBEITER-APP?
Die Entscheidung darüber hat in der Internen Kommunikation nur bedingt etwas zu suchen
Kurz & bündig
Brauchen wir eine Mitarbeiter-App? Was für eine Frage! Der Leiter Interne Kommunikation stellte sie bewusst an den Anfang seiner Präsentation. Er wollte nicht so tun, als liege der Fall klar und er habe die Kollegen nur zum Abnicken seiner Idee in den Kreativraum bestellt. Dann baute er Chart für Chart eine wasserdichte Argumentation auf. Chart 1: 54 Prozent der Mitarbeiter im Unternehmen sind ohne Desktop-Arbeitsplatz. Chart 2: Vernetzung und Know-how-Austausch. Chart 3: Ausspielen aktueller Inhalte. Chart 4: Beteiligung der Mitarbeiter. Chart 5: Digitalisierung als Ausdruck von Modernität und Innovation. Auf dem zehnten Chart – Titel „Zukunftsmusik“ – malte er die Vision eines Unternehmens, in dem alle miteinander vernetzt sind, hierarchiefrei kommunizieren und die gesamte Ideen-Power aller Mitarbeiter für die Firma nutzbar gemacht wird. Brauchen wir eine Mitarbeiter-App? Alles spricht dafür.
Neun Monate später. Etwa 35 Prozent der Mitarbeiter haben sich die App runtergeladen und sind registriert. Aktive Nutzer: Gut 21 Prozent. Die meisten Zugriffe auf die App betreffen den Kantinenplan. Sieben Mitarbeiter haben Fotos vom Weg zur Arbeit gepostet, seit diese Funktion vor vier Wochen freigeschaltet wurde. Der wöchentliche Post des Vorstands bekommt im Schnitt 20 Likes, bislang wurde er aber nur zweimal kommentiert. Das Team der Internen Kommunikation macht einen Workshop zum Thema Content-Strategie. Sie haben gemerkt: Ein digitales Medium verlangt nach deutlich mehr Inhalten in kürzeren Zeiträumen. Die Unternehmensrealität bietet diese Inhalte aber nicht. Ziel des Workshops also: mehr Inhalte!
Die meisten Nutzer bleiben passiv
Das Beispiel basiert auf realen Erfahrungen von Unternehmen mit Mitarbeiter-Apps. Paradoxerweise müssen zum Beispiel viele Firmen erkennen, dass gerade die Mitarbeiter ohne Desktop-Arbeitsplatz Mitarbeiter-Apps nicht oder kaum nutzen – möglicherweise fehlt ihnen schlicht die Zeit, wenn sie unterwegs oder in der Produktion beschäftigt sind. Es sind also vor allem die am Desktop sitzenden Mitarbeiter, die die App nutzen. Aber auch die sind leider nicht so mitteilsam, wie sich das Kommunikationsschaffende wünschen.
Die meisten der App-Nutzer bleiben passiv. Für sie ist das Unternehmensumfeld keines, in dem sie sich verhalten wie in sozialen Medien, die sie privat nutzen. Und dann sind da noch die Führungskräfte, die die App nicht nur nicht nutzen, sondern vor allem als Vermarkter des Neuen ausfallen.
Im Workshop der Internen Kommunikation stellt dann jemand die Frage: „Warum haben wir eigentlich geglaubt, eine App zu brauchen? Der Kantinen- und der Schichtplan kann ja wohl nicht der Grund sein. Und die Fotos vom Weg zur Arbeit auch nicht.“ Ernüchterung macht sich breit in der Runde – und die Erkenntnis: Eine Mitarbeiter-App ist keine Angelegenheit des theoretisch Möglichen und deshalb Sinnvollen. Mit einer App stellt sich die Frage a) nach der Unternehmenskultur, b) nach substantiellem Content und oftmals c) nach den Ressourcen.
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Nur 15 Prozent sind emotional gebunden
Die jüngste Gallup-Studie zum Engagement von Mitarbeitern im Unternehmen gibt zu a) einen ersten Hinweis: Nur 15 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland haben eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen. Es sind die 15 Prozent, von denen man sich erhoffen kann, dass sie mal ein Foto vom Weg zur Arbeit in der Firmen-App posten. Etwas mehr als diese 15 Prozent haben innerlich gekündigt, viele von ihnen suchen gerade einen anderen Job. Der große Rest? Eher gleichgültig, jedenfalls keine Masse, die sofort begeistert losklickt oder frohlockt, weil der Kantinenplan jetzt nicht nur aushängt, sondern auch per Klick einzusehen ist.
Was b) – den substantiellen Content – betrifft, liegt die Herausforderung auf der Hand: Wer bislang viermal im Jahr ein Mitarbeitermagazin publizierte (und auch dort nicht ausschließlich Substanz lieferte) tut sich natürlich schwer, der Erwartungshaltung in der digitalen Welt zu entsprechen und am laufenden Band zu liefern. Die Flucht in lustige Beiträge, Regenbogenfotos und Fußball-Gewinnspiele ist naheliegend. Sie trifft möglicherweise auch den Nerv der Menschen, die ja tatsächlich viel über Fußball und das Wetter reden. Man lockt so tatsächlich noch mal einige Nutzer mehr. Aber sind das die Inhalte, deretwegen man interne Kommunikation betreibt?
Zuletzt c), das leidige Ressourcenthema. In der Chefetage geht man davon aus, dass digitale Kommunikation nicht nur schneller ist, sondern auch günstiger. Das Gegenteil ist der Fall: Digital muss nicht nur mehr und öfter geliefert werden, hier wird auch Audio- und Bewegtbild erwartet, und im Zweifel muss interner Dialog gesteuert und kontrolliert werden. Das kostet Zeit, Geld und Manpower, mehr als bislang.
Apps sind keine Kommunikations-Kanäle
Brauchen wir eine Mitarbeiter-App? Die Antwort darauf kann nicht allein aus Kommunikations-Perspektive gegeben werden. Apps nämlich sind eigentlich keine Kommunikations-Kanäle, sondern eben Applications, das heißt: Anwendungen. Die große Mehrzahl der Apps im App- oder Google Play Store sind nützliche Tools oder Spiele. Erfolgreich sind sie, wenn sie entweder Spaß und Spannung bieten oder aber einen echten Mehrwert liefern. Kantinenpläne oder Regenbogenfotos leisten das nur bedingt.
Erfolgversprechend für die Mitarbeiter App scheint daher nicht der Kommunikations-, sondern der Unterstützungs-Anatz: Hilfreiche Anwendungen, die den Mitarbeitern das Leben im Unternehmen und die Arbeit leichter machen sind demnach das Herz der App. Sie müssen so gut und sinnvoll sein, dass die App quasi zum unverzichtbaren Begleiter wird. Angebote, die auf Einbindung und Mitmachen zielen, sollten erst dann zum Einsatz kommen, wenn viele Mitarbeiter die App täglich nutzen. Und News-Inhalte? Sie sind in diesem Konzept Beiwerk, mehr nicht. Ein Projekt allein der Internen Kommunikation ist die App dann allerdings auch nicht mehr.